Gendiagnostikgesetz im Schnellverfahren?

Gesetzentwurf trotz massiver Einwände vom Kabinett beschlossen

Frankfurt, 06. Oktober 2008

Der Entwurf eines Gendiagnostikgesetzes, das genetische Untersuchungen am Menschen regeln soll, wurde am 27.08.2008 vom Kabinett beschlossen und soll in den nächsten zwei Monaten durch Bundestag und Bundesrat bestätigt werden. Obwohl zwischenzeitlich von Seiten der betroffenen Verbände massive Kritik geäußert wurde, blieb der ursprüngliche Gesetzentwurf von Ende Juni dabei fast unverändert.

Das Gesetz soll die schwierige Aufgabe meistern, die verschiedensten genetischen Untersuchungen zu regeln: solche zur Klärung  der Abstammung, zu Forschungszwecken und die medizinischen Testverfahren, die in der ärztlichen Praxis angewandt werden. Der Versuch, diese komplexe Thematik pauschal regeln zu wollen, ohne damit Interessen einzelner Verbände zu verletzen, ist aussichtslos. Entsprechend massiv waren die Reaktionen auf den Entwurf, die in einer Anhörung der Verbände am 30.07.2008 im ehemaligen Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Bonn vorgetragen wurden und an der auch Dr. Anna Carina Eichhorn, wissenschaftlicher Vorstand der humatrix AG, teilnahm. Nicht zuletzt wurde Kritik daran laut, dass alle medizinischen Genanalysen künftig in die zwei Kategorien "diagnostisch" und "prädiktiv" eingeteilt werden sollen, wobei für solche des Typs "prädiktiv" ein strikter Humangenetikervorbehalt gelten soll. "Dies würde bedeuten, dass neben Untersuchungen auf klassische Erbkrankheiten, die meist mit schwerwiegenden Konsequenzen für die Betroffenen einhergehen und daher zurecht in den Zuständigkeitsbereich humangenetischer Fachärzte fallen, auch Untersuchungen zu Präventionszwecken für weit verbreitete Krankheiten und Unverträglichkeiten nur noch von dieser Facharztgruppe beraten und veranlasst werden dürften", so Eichhorn.

Diese Regelung widerspricht jeder politischen und medizinischen Logik. Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag auf die Fahnen geschrieben, die "großen Volkskrankheiten zurückdrängen" und "die Prävention zu einer eigenständigen Säule des Gesundheitssystems ausbauen" zu wollen. Das Gegenteil tut sie, wenn sie prädiktive genetische Untersuchungen außerhalb der humangenetischen Kontrolle verbietet, denn es existieren in Deutschland nur ca. 150 humangenetische Beratungsstellen. Nach dem Entwurf würde auch das staatliche Neugeborenenscreening unter diesen Vorbehalt fallen und schlagartig wären 700.000 Eltern pro Jahr zu beraten, die bisher nur durch einen Flyer über den Zweck des Screenings informiert werden. Zudem verhält sich die Bestimmung eines genetischen Markers im Hinblick auf den prädiktiven Gehalt meist nicht anders als die Ergebnisse der klassischen Diagnostik. So ist z.B. auch erhöhter Blutdruck ein prädiktiver Marker für einen möglichen Schlaganfall. "Darf der Blutdruck daher nur noch von humangenetischen Fachärzten bestimmt werden?" fragt Eichhorn daher. "Sicher nicht. Macht also die Diagnosemethodik alleine den Unterschied aus?"

Diese und viele weitere Kritikpunkte wurden in der Verbandsanhörung laut. Umso unverständlicher ist es daher, dass der Entwurf ohne wesentliche Nachbesserungen nun vom Kabinett beschlossen wurde. Der Verdacht drängt sich auf, dass die Regierung dieses seit Jahren diskutierte Thema gerne endlich vom Tisch haben möchte - in welcher Form auch immer.

Daher mahnt auch Prof. Dr. Hans-Günther Gassen, ehem. Biotechnologiebeauftragter des Landes Hessen und Biotechnologieberater der CDU/CSU Bundestagsfraktion, in einem Brief an die verantwortliche Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, das Gendiagnostikgesetz "wegen seiner künftigen Bedeutung nicht übereilt verabschieden" zu wollen. "Falls das Gendiagnostikgesetz ohne Übergangsfristen in Kraft tritt, ist eine Versorgung der Bevölkerung mit Beratungsleistungen bei Diagnosen mit "prädiktivem" Potential nicht gewährleistet, da selbst Pädiater oder Gynäkologen diese Leistungen nicht anbieten dürfen. Da die Einen nicht vorhanden sind, die Anderen nicht dürfen, findet dieser Teil medizinischer Versorgung schlicht nicht statt."

Gassens Stellungnahme wurde auch an die zuständigen hessischen Politikerinnen - Sozialministerin Silke Lautenschläger und Gesundheitsreferentin Dr. Angela Wirtz - versendet. Es bleibt zu hoffen, dass spätestens der Bundesrat der vorgelegten Form des Gendiagnostikgesetzes widersprechen und somit eine politisch und medizinisch sinnvollere Regelung erzwingen wird.

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